Es gibt Action-Shooter bei denen man sich bis an die Zähne bewaffnet durch Heerscharen seiner Gegner ballert. Munition und Heilungs-Items liegen wohl platziert und reichleich auf dem Weg. Und dann gibt es „Prey“. Der neueste Titel aus den Arkane Studios hat all das nicht. Er verlangt nach Arbeit und nach Köpfchen. Wer sich blind in jeden Kampf stürzt, wird verlieren. Das Alter Ego ist leicht verwundbar, die Munition stets sehr knapp. Zudem hat es sowieso keinen Zweck: Die schemenhaften Gegner kommen immer wieder. Ein Shooter bei dem Schießen in der Regel wenig nützt. Wer gern schleicht, nach alternativen Wegen sucht, Sicherheitssysteme hackt und beim Erledigen der Gegner Kreativität vorzieht, der ist bei „Prey“ genau richtig.
Wenn Dich der Kaffeebecher attackiert
„Prey“ spielt im Jahr 2032 in einer fiktiven Zukunft. John F. Kennedy hat das Attentat überlebt und treibt mit großen Aufwand das Weltraumprogramm voran. Gemeinsam mit der UdSSR wird die Raumstation Talos 1 gebaut, um ein im All entdecktes Phänomen zu erforschen: die Thypon. Diese Schatten ähnliche außerirdische Lebensform kann Materie umwandeln und übernehmen – vom Menschen bis zum Roboter. Einige Viecher tarnen sich gar als Alltagsgegenstände wie Bürostühle oder Kaffeebecher, um den vorbeigehenden Ahnungslosen plötzlich anzufallen.
Natürlich kommt es wie es kommen muss: Die Wissenschaftler auf der Station wollen diese Wesen nicht nur verstehen, sondern sie kontrollieren und ihre Kräfte für den Menschen nutzbar machen. Durch die Fortschritte in der Hirnforschung gibt es seit langem „Neuromods“, Implantate zur Leistungssteigerung des Gehirns. Wie wäre es, wenn man die Fähigkeiten der Thypons in so einen Neuromod bekäme? Offenbar ging genau dieses Projekt einen Schritt zu weit. Die Aliens entkommen aus ihrem Gefängnis und richten auf der Raumstation ein Blutbad an. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Morgan Yu (wahlweise männlich oder weiblich), dessen pummeliger Bruder Forschungsleiter auf der Talos 1 ist.
Mehr System Shock als Half-Life
Nach einem sehr clever inszenierten Auftaktlevel steht der Spieler nun da, allein auf der Station, ohne rechten Schimmer über die Hintergründe und an jeder Ecke lauert der Tod. Den ersten Gegnern tritt man nur mit einer Rohrzange bewaffnet entgegen. Eine Anspielung auf den legendären Shooter „Half-Life“ von 1998. Doch die Wurzeln von „Prey“ liegen weiter zurück. „Prey“ ist eine einzige große Reminiszenz an das grandiose Actionspiel „System Shock“ von 1994. Aufmerksame Spieler sehen gleich zu Beginn von „Prey“ auf einem Monitor ein 3D-Programm mit dem Namen „Looking Glass Technologies“ – eben jenem Studio, das vor fast einem Vierteljahrhundert diese Gattung aus Shooter und Rollenspiel erfunden hat. Die Entwickler von „Prey“ verwoben „System Shock“-Elemente mit ihren vorherigen Titeln „BioShock“ und „Dishonored“. Wer diesen Games verfallen war, für den ist „Prey“ fast schon ein Pflichttitel.
Das Morgan Yu erhält durch E-Mails sowie Audio- und Video-Logs nach und nach eine Vorstellung davon, was auf der Raumstation geschehen ist. Zwei Menschen nehmen mit ihm Kontakt auf: sein Bruder Alex und eine geheimnisvolle January, die sich nicht zu erkennen gibt. Wem soll man vertrauen? Offenkundig ist Alex Yu nicht gerade zum Positiven in der Katastrophe verwickelt. Und ohne January wäre man zwar nicht mehr am Leben, doch sie verlangt einen ziemlich hohen Preis. Zudem blitzt hier und da durch, dass man selbst vielleicht nicht der ist, der man zu sein glaubt. Je nach dem wem der Spieler folgt und welche Entscheidungen er unterwegs trifft, nimmt die Story ein anderes Ende. Das Ziel ist ja klar: Nichts wie runter von der Horror-Station.
Ich habe eine Banane und ich werde sie benutzen!
Mario Kart 8 Test_13.40Bis dahin heißt es überleben. Und das ist harte Arbeit. Verbrauchsgüter wie Munition und Neuromods finden sich nur sporadisch, sie lassen sich jedoch glücklicherweise aus den verschiedensten Rohmaterialien herstellen. Aus purer Not wird Morgan zum Recycling-Nerd. Mit größter Freude werden aus Mülleimern vergammelte Bananenschalen geklaubt, aus der Krankenstation abgelaufene Blutkonserven eingepackt und Aschenbecher entleert. Alles kann verarbeitet werden. Etwas unwürdig, doch zumindest bleibt so zugleich der Star der Show schön sauber.
Talos 1 ist der eigentliche Protagonist des Spiels. Wie in die Citadel in „System Shock“ ist sie eine offene Welt, durch die sich der Spieler frei bewegen kann. Abgeschlossene Level gibt es nicht, auch keine von den Thypon gesäuberte. Die Gefahr lauert immer und überall. Der Co-Star der Raumstation ist die Gloo-Kanone. Sie verschießt Klebstoffklumpen, die innerhalb von Millisekunden aushärten. Mit ihr lassen sich nicht nur Gegner fixieren, sondern auch Feuer löschen, Barrikaden aufbauen oder Treppen modellieren.
Fluch und Segen: Neuromods
Mit Hilfe der Neuromods rüstet sich der Spieler nach und nach auf. Die Möglichkeiten sind fast schon zu vielfältig. Im Spielverlauf kommen neben den üblichen Waffen noch Psi-Fähigkeiten hinzu: Fernkontrolle von Gegenständen, Doppelgänger erzeugen und Teleportation zum Beispiel. Jede Modifikation macht das Überleben etwas einfacher, sofern man seine Kräfte gut zu kombinieren weiß.
Infokasten PreyNicht ganz so viel Liebe haben die Entwickler in die Grafik investiert. Sie folgt zwar konsequent ihrem eignen Stil zwischen Retro-Science-Fiction und Art dèco, doch das Detail fehlt. Die gesamte Einrichtung der Talos hat kaum Gebrauchsspuren, nur wenig Oberflächendetails oder gar Patina. Da wäre mehr möglich gewesen. Doch wenn man im Halbdunkel geduckt unter einem Schreibtisch hockt und das Alter Ego seinen vor Panik schneller gehenden Atem anzuhalten versucht, sind solche Kleinigkeiten das Letzte, auf das man achtet. NintendoSwitch