Herr Horn, auf den Bürofluren gab es die letzten Wochen nur ein Thema: die siebte Staffel von „Game of Thrones“, die in dieser Woche zu Ende gegangen ist. Blieben deshalb die Kinos leer?
Nein. Wir hatten erst vor kurzem mit „Bullyparade – Der Film“ einen sehr guten Start mit fast 500.000 Besuchern bundesweit am ersten Wochenende. Das kann sich sehen lassen.
Trotzdem: Wenn viele über Serien und weniger über Filme sprechen, fehlt doch die Mundpropaganda für Kino-Neustarts, oder?
Die Leute reden über viele Themen – Games, Festivals, auch Serien. Trotzdem gehen sie ins Kino. Die Zielgruppe zwischen 10 und 19 sogar fünfmal im Jahr. Über die großen Filme reden sie immer.
Das heißt, Serien sind für Sie nicht attraktiv?
Doch, die sind absolut attraktiv. Serien sind relevant für Filmliebhaber. Wir haben deshalb in jedem Jahr um Halloween ein „The Walking Dead“-Special. Das werden wir weiterentwickeln. Man wird in Zukunft definitiv mehr Serien-Inhalte in unseren Kinos sehen.
Dabei gibt es eigentlich schon genug Filme.
Pro Jahr werden rund 1000 verschiedene Filme in den deutschen Kinos gezeigt, wovon wir knapp ein Drittel zeigen.
Rund 40 Prozent des Jahresumsatzes machen Sie mit lediglich zehn Filmen.
Die sind aber zumeist sehr ungleich auf das Jahr verteilt, was wir gerade in diesem Sommer in den deutschen Kinos merken. Da würde aus meiner Sicht mehr gehen. Für mich ist das eine Art Inventardilemma. Die guten Filme kommen oftmals im Herbst, Winter und insbesondere zu Weihnachten oder Ostern.
Das ist ein hausgemachtes Problem im deutschen Markt. Im Sommer haben wir kaum Schwergewichte. Zur Weihnachtszeit hingegen prügeln sich so viele um die limitierten Leinwände in Deutschland, dass wir Probleme haben, alles auf die Leinwand zu bekommen. Manchmal würde ich mir etwas mehr Mut für die großen Titel im Sommer wünschen. Universal Pictures zeigt diesen immer wieder mit den Minions, die auch in diesem Sommer sehr viele Besucher in die Kinos gelockt haben.
Sind Sie als Kinobetreiber zu abhängig von den großen Hollywood-Blockbustern?
Grundsätzlich brauchen wir einen gesunden Mix an Filmen, der aber nach wie vor zum größten Teil aus Hollywood kommt. Ich wünsche mir zwei Filme pro Jahr, die sechs Millionen Besucher in die Säle locken, die Wahrscheinlichkeit, dass die aus Hollywood kommen ist natürlich sehr groß. Dennoch gibt es auch deutsche Produktionen, die solche Erfolge feiern können. Am Ende kommt es aber auf die Breite an Filmen an, wir brauchen auch Filme mit 800.000 oder einer Million Besuchern. Wenn wir zu abhängig werden von den 6-Millionen-Krachern, sagen die Menschen irgendwann: „Das ist mir nicht inspirierend genug.“Cinemaxx-InterviewT1
Wie sehen Sie die Situation des deutschen Films?
Es gibt mehr als 200 Produktionen im Jahr – darunter sind solche und solche. Insgesamt ist er wichtig für unseren Markt. Und man kann über die letzten drei Jahre nicht unzufrieden sein. Zwei deutsche Filme waren 2015 unter den Top vier („Honig im Kopf“ und „Fack Ju Göhte 2“). Mir ist generell ein guter Mix aus Hollywood und lokalen Inhalten wichtig. Meine Wunschzahl sind 25 Prozent der verkauften Tickets durch deutsche Filme. Wir sind zuversichtlich, dass das mit „Fack Ju Göhte 3“ in diesem Jahr klappt.
Wieder mal die Fortsetzung eines bekannten Franchise, wie auch „Bullyparade“.
Es gibt auch viele tolle Überraschungen im deutschen Film – etwa Toni Erdmann, der dann sogar in Hollywood erfolgreich war. Und wir haben tolle Beispiele, die noch kommen: „Jugend ohne Gott“, „Mein bescheuertes Herz“ mit Elyas M‘Barek. „Unter deutschen Betten“. Die werden – außer Fack Ju Göhte – alle keine drei oder vier Millionen in die Säle locken. Aber in die Top 30 können sie es schaffen.
Also kommt es am Ende doch auf „Baywatch“ und „Fluch der Karibik“ an.
„Baywatch“ lag über unseren Erwartungen. Da hätten wir nie gedacht, dass der zwei Millionen Besucher in die Kinos zieht. „Pirates of the Caribbean 5“ hat unsere Erwartungen dagegen nicht ganz erfüllt. Trotzdem ist er mit 2,5 Millionen Besuchern ein großer Film. Aber man muss sich fragen: Kommen noch „Fast and Furious 9“ und Teil 10? Oder hört man irgendwann auf? Unsere Gäste werden das am Ende an den Kinokassen entscheiden.Daniel Craig bestätigt Rückkehr als James Bond 7.25h
Kommen wir zu einem ganz anderen Thema, das viele Zuschauer nervt – die Werbung vorm Film. Manchmal muss man 45 bis 60 Minuten über sich ergehen lassen, bis der eigentliche Film losgeht.
Wir haben ein klares Limit. Mehr als 50 Prozent des Vorprogramms sind bei uns Trailer. Die Menschen mögen Trailer. Bei Filmen wie „Star Wars“ oder „James Bond“ könnten wir theoretisch anderthalb Stunden Werbung verkaufen. Das tun wir aber nicht.
Was empfinden Sie denn als zumutbaren Zeitrahmen?
Maximal 30 Minuten – für Werbung und Trailer zusammen. Bei „Spectre“ haben wir das erste Mal die Bremse gezogen und gesagt: Mehr muten wir unseren Kunden nicht zu, hier hätten wir ohne Probleme die doppelte Zeit an Werbung vermarkten können.
Irgendwann ist man ja auch genervt.
Absolut. Auf Sicht sagen wir: Länger werden darf’s nicht.
Auf Netflix gibt es ja auch keine Werbung.
Die Vermarktung ist ein Teil unseres Geschäftsmodells, der hilft, die hohen Fixkosten zu tragen. Wir haben hohe Mieten und viele Mitarbeiter. Wenn wir mit den Media-Agenturen über die nächsten Jahre reden, sagen wir immer: Geht davon aus, dass es nicht mehr Werbung wird. Geht eher davon aus, dass es weniger wird. Wir müssen deshalb lernen, mit weniger Zeit besser umzugehen. Kinowerbung ist nach wie vor ein Premiumprodukt. Deshalb ist die Qualität der Werbung wichtig. Wir wollen zielgruppenrelevante Werbung und nicht die gleichen Werbespots für alle.
Was ändert sich noch in den nächsten Monaten und Jahren?
Wir investieren digital viel. Im November werden wir eine neue Webseite starten, die in puncto Usability deutlich besser wird – auch was den Ticketkauf betrifft. Wir müssen auch unsere Kommunikation verbessern. Das machen Firmen wie Netflix gut, unabhängig vom Produkt. Wir müssen da sein, wo unsere Kunden sind und relevanten Content liefern. Wir sind die Branche, die den Content hat, wir müssen nichts erfinden. Da müssen wir mehr machen.
Was bedeutet das konkret?
Die sozialen Kanäle sind für uns ein ganz wichtiges Thema, egal ob das Instagram, Twitter oder Facebook sind. Facebook ist mittlerweile auch eine 50+-Zielgruppe geworden, die aber funktioniert. Wir setzen aber auch auf neue Formate, etwa der Social Movie Night. Diese Art zu kommunizieren muss die Kino-Industrie besser verstehen.
Wo müssen Sie ansetzen?
Wir müssen verstehen, wer unsere Kunden sind, was die mögen und denen zielgruppengenau relevanten Content zuspielen – und zwar nur denen, die es wollen. Es ist ein kontinuierliches Weiterentwickeln. Wir denken, dass mindestens 50 Prozent der Deutschen ins Kino gehen würden, wenn man es für sie relevanter machen würde. In diesem Jahr dürfte der Anteil aber nur um die 40 Prozent liegen. Wenn wir es gut machen, könnte man einige wachrütteln und sie vom Sofa runterbekommen.