Seit dem 1. Januar ist das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Deutschland voll in Kraft. Anbieter von sozialen Netzwerken mit mehr als zwei Millionen Nutzern müssen „offensichtlich rechtswidrigen Inhalt“ binnen 24 Stunden nach Eingang einer entsprechenden Beschwerde entfernen. Andernfalls drohen empfindliche Geldstrafen, im Einzelfall bis zu fünf Millionen Euro. Justizminister Heiko Maas will damit die Unternehmen drängen, härter durchzugreifen. Entsprechende Arbeitsgruppen und Task-Forces hatten offenbar nicht die erwünschte Wirkung erzielt.
Für Facebook, Twitter und Co. wird damit der Druck deutlich größer, möglicherweise rechtswidrige Inhalte schnell zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen. Andernfalls geht es ihnen an den Geldbeutel. Die Unternehmen reagieren mit unterschiedlichen Maßnahmen auf das Inkrafttreten von NetzDG.
Twitter hat zusätzliches Personal angeheuert
Maas verteidigt Internet-Gesetzt gegen Hass-Botschaften_9.10Twitter hat nach stern-Recherchen speziell für das NetzDG zusätzliche Fachkräfte angeheuert, die gemeldete Inhalte überprüfen und gegebenenfalls löschen. Selbstverständlich war es bereits vor dem Inkrafttreten von NetzDG auch auf Twitter illegal, etwa zu Gewalt aufzurufen oder andere zu beleidigen. Das Unternehmen hat weltweit gültige Nutzungsbestimmung und behält sich unter anderem das Recht vor verbotene Inhalte zu löschen und Accounts vorübergehend oder dauerhaft zu sperren.
Für das NetzDG gibt es eine neue Funktion bei Twitter: Wer auf „Diesen Tweet melden“ klickt, kann dort „Fällt unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ auswählen. Anschließend werden einem mehrere Optionen präsentiert, etwa: „Hass schürende/verfassungswidrige Inhalte“, „Gewalt/Bedrohung/Aufforderung zu Straftaten“ oder „Beleidigung/Üble Nachrede“. Je nach Auswahl kann man dann auf dem nächsten Bildschirm das Gesetz auswählen, gegen das angeblich verstoßen wird und danach anklicken, gegen wen sich das Vergehen richtet. Vorm Absenden der Beschwerde folgt dann noch ein längerer Disclaimer, in dem man unter anderem bestätigt, sich bewusst zu sein, dass man „einen schweren Vorwurf“ erhebt und der Missbrauch dieser Funktion zum Ausschluss von Twitter führen kann. Die Beschwerde landet dann bei den Fachkräften von Twitter, die über das weitere Vorgehen entscheiden.
Facebook bewirbt das Meldeformular sehr defensiv
Ganz ähnlich läuft es auch auf Facebook ab, nur dass das Formular dort recht versteckt liegt. Anstatt die Funktion, wie Twitter, am entsprechenden Post verfügbar zu machen, hat das Netzwerk unten rechts hinter „Impressum und Allgemeine Geschäftsbedingungen“ ein „NetzDG“ gequetscht. Mit einigen weiteren Klicks landet man dort bei einem Meldeformular, auf dem man nach seinem Namen, seiner Anschrift, Berufsbezeichnung und Meldeadresse gefragt wird. Anschließend kann man einen Link des entsprechenden Inhalts einfügen und das angebliche Delikt auswählen. Die beanstandenden Passagen kann man dann noch einmal separat einfügen und die Beschwerde begründen.
AfD Twitter NetzDG Strategie 13.03Diese landet dann beim sogenannten Community Operations Team von Facebook. Dort wird normalerweise die Einhaltung der Gemeinschaftsstandards der Plattform überwacht. Facebook betreibt zwei Löschzentren in Berlin und Essen mit rund 1200 und 500 externen Mitarbeitern. Diese entscheiden dann, ob etwas gelöscht wird oder ein Nutzer gesperrt. Bei kniffligen Fällen sollen externe Rechtsberater helfen.
NetzDG ist sehr umstritten
Das neue Gesetz wird sehr kontrovers diskutiert. Kritiker befürchten eine unzulässige Einschränkung der freien Meinungsäußerung im Netz. Da Strafen für die Unternehmen lediglich bei ausbleibender Löschung rechtswidriger Inhalte vorgesehen sind, dürften die Netzwerke im Zweifel gegen den Angeklagten entscheiden und lieber vorsorglich löschen. Gerade bei Delikten wie Beleidigung oder Volksverhetzung handelt es sich in der Regel um schwierige Abwägungsentscheidungen. „Es muss immer im Einzelfall überprüft werden, ob hier eine Straftat vorliegt, die ausreicht, um die Meinungsfreiheit einzuschränken“, sagt Strafrechtsexperte Benjamin Grunst aus Berlin. Dies läge normalerweise im richterlichen Ermessen. „Hier wird die staatliche Verantwortung auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen übertragen“, kritisiert er.02-Staatsanwaltschaft Volksverhetzung AfD-Politikerinnen