Ein Kernfusionsreaktor soll saubere Energie auf die gleiche Weise bereitstellen, mit der die Sonne die Planeten beheizt – nämlich durch die Verschmelzung von Wasserstoffatomen. Dieser sauberen und klimaneutralen Energiegewinnung ist ein Versuchsreaktor in China einen Riesenschritt näher gekommen.
Die Anlage mit dem Spitznamen „Chinas künstliche Sonne“ am Hefei Institutes of Physical Science der Chinese Academy of Sciences (CASHIPS) konnte in einem Experiment eine Plasmakerntemperatur von mehr als 100 Millionen Grad Celsius erzeugen. Das ist sechs Mal heißer als das Innere der Sonne – in diesen Temperaturbereich kommt es zur Fusion der Kerne. Auf der Erde ist eine höhere Temperatur als in der Sonne nötig, weil man bislang keine Kompression des Plasmas erreichen konnte, wie sie im Kern der Sonne durch die Gravitation herrscht. Dieses Manko muss die höhere Temperatur ausgleichen.
Heißer als die Sonne
EAST (Experimental Advanced Superconducting Tokamak ) ist ein Reaktor, der in seinem inneren Ring die Form eines Donuts besitzt. Dort herrscht ein Vakuum, in das Wasserstoffatome injiziert werden. Diese Atome werden dann mit verschiedenen Methoden erhitzt, um ein Plasma zu erzeugen. Dieses Plasma wiederum wird mit einer Reihe von leistungsstarken supraleitenden Magneten zusammengedrückt. Rakete_19.20
Wenn das Plasma heiß genug und entsprechend komprimiert wird, entstehen in einer kleinen Zone innerhalb des Donut Bedingungen wie im Inneren der Sonne. Dann verschmelzen die Wasserstoffatome und große Mengen an Energie werden frei. Ziel der Forschung ist eine Anlage, in dem die Fusionsreaktion von allein weiterläuft, sodass der Reaktor im Betrieb mehr Energie erzeugt, als er beim Start des Prozesses verbraucht.
Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. EAST konnte Temperatur und Kompression etwa 10 Sekunden lang erzeugen. Nach Ansicht des Instituts zeigt das Experiment aber, dass es möglich ist, die für die Kernfusion erforderlichen Temperaturen zu erreichen.
EAST ist nur eine von mehrere Anlagen, die weltweit daran arbeiten, die Bedingungen der kontrollierten Fusion zu erforschen. Die deutsche Versuchsanlage Wendelstein 7-X arbeitet anders. Dort wird der Ring des Plasmas mithilfe von Magnetspulenbänken in seiner Bahn gehalten. Anlagen wie Wendelstein 7-X haben bessere Möglichkeiten das Plasma zu kontrollieren, können aber derzeit nicht die nötigen Temperaturen erreichen. Anfang 2018 gelang es dem W7-X, Helium auf 40 Millionen Grad Celsius zu erhitzen. Das ist ein großer Fortschritt, bleibt aber weit hinter den Temperaturen von über 100 Millionen Grad zurück, die der Fusionsprozess benötigt.
Der chinesische EAST-Reaktor nutzt dagegen die Magnetfelder, die das Plasma selbst erzeugt, um den Plasmaring in Form zu halten. Dieser Prozess ist nicht stabil, dafür gelingt es aber, eine höhere Temperatur zu erreichen. Das chinesische Verfahren kann man salopp als „Ritt auf der Kanonenkugel“ bezeichnen. Strategisch bietet es den Vorteil, dass der Fusionsprozeß selbst die Energie bereitstellen kann, die nötig ist, um das Plasma zu beherrschen.
Auch der neuerliche Meilenstein beweist nur, dass dieser Weg im Prinzip gangbar ist, eine Blaupause für den Bau eines funktionsfähigen Reaktors ist er nicht.