Bekannte Serien, viele Filme – und ein paar Eigenproduktionen: Das war lange das Erfolgsrezept von Netflix. Dass der Streaming-Dienst damals quasi allein auf weiter Flur stand, verstärkte den Effekt noch. Doch die Zeiten haben sich geändert. Netflix setzt immer mehr auf selbstentwickelte Inhalte statt auf teure Lizenzen. Und ist nun doch gezwungen, knapp 100 Millionen Dollar zu zahlen – nur um ein Jahr lang den Publikums-Liebling „Friends“ zeigen zu dürfen. Der Deal zeigt Netflix‘ schwersten Spagat.
Denn der Kampf um die Kunden wird immer härter seit Netflix echte Konkurrenten wie Amazon Prime fürchten muss. Um die Kunden an sich zu binden, setzen die Streaming-Dienste wie TV-Sender immer mehr auf selbstentwickelte Inhalte. Das hat für sie gleich drei Vorteile: Zum einen hat man exklusive Inhalte, die es nur bei diesem Anbieter gibt. Zum zweiten investiert man das Geld nur einmal, statt wie bei Lizenzen immer wieder bezahlen zu müssen. Und zu guter Letzt schützt es vor dem, was nun bei „Friends“ passierte: Die Inhalte können nicht von den Lizenzinhabern von der Plattform genommen werden.Netflix Dezember 16.31
Die Flucht der Inhalte
Tatsächlich sollte auch „Friends“ als Teil eines neuen Dienstes des Heimat-Senders NBC bei Netflix ausscheiden. Erst nach einer regelrechten Bieterschlacht mit anderen Konkurrenten konnte Netflix sich die erfolgreichste Comedy-Serie aller Zeiten für 100 Millionen für ein weiteres Jahr exklusiv sichern. Danach erwägt der Sender die Serie ab Ende 2019 einfach zeitgleich mit Netflix anzubieten. Die für Netflix so wichtige Exklusivität wäre aber dahin.
Ähnliches dürfte in den nächsten Jahren viel häufiger drohen. Neben der Großmacht Disney planen auch viele TV-Sender einen eigenen Dienst aufzubauen, statt die Inhalte wie bisher an die Streaming-Konkurrenz auszuleihen. Dabei wird es nicht immer um den tatsächlichen Erfolg eines eigenen Dienstes gehen. Alleine die glaubwürdige Drohung, beliebte Serien oder Inhalte nicht mehr zu lizensieren, stellt ein gewaltiges Pfund in den Verhandlungen her. Der nächste Superlativ wird für die amerikanische „Stromberg“-Variante „The Office“ erwartet, laut Insidern die meist gestreamte Serie bei Netflix.
Der echt Gau kommt aber im nächsten Jahr. Ende des Jahres will Disney seinen eigenen Dienst starten, die Folgen für Netflix sind aber schon jetzt bekannt. „Antman and the Wasp“ wird der letzte Marvel-Film sein, der zu Netflix kommt, auch „Star Wars“ und natürlich sämtliche Disney- und Pixar-Filme werden dann nirgendwo mehr sonst zu sehen sein.Friends Netflix 15.47
Netflix braucht „Friends“
Für Netflix ist das ein echtes Problem, denn das Angebot des Dienstes lebt auch aus der Mischung aus neuen und bekannten Inhalten. Natürlich werden zunächst kaum Kunden den Dienst kündigen, bloß weil es dort nicht mehr „Der König der Löwen“ zu sehen gibt. Auf Dauer wird die Wahrnehmung aber vermutlich darunter leiden. So sehr Netflix sich bemüht, mit hochwertigen Serien wie „House of Cards“ oder „Dare Devil“ zu punkten, den Glanz der alten Marken wie Disney – oder eben „Friends“ wird man mittelfristig wohl nicht erreichen können. Wenn immer mehr der altbekannten Inhalte woanders landen, könnten die Kunden irgendwann mitgehen. Schließlich wird niemand Dutzende Abos für Streaming-Angebote buchen. Als Sweet Spot gelten allgemein drei Dienste.
Auf Dauer könnte Netflix aber durchaus gut da stehen. Serien wie „Friends“, „Greys Anatomy“ oder „Gilmore Girls“ leben vor allem vom Nostalgie-Faktor der Fans, die mit ihnen aufwuchsen – als sie noch im Fernsehen liefen. Die jetzt nachkommenden Generationen schauen aber gar nicht mehr fern. Und werden eventuell eben Netflix-Serien als Nostalgie-Programm laufen lassen. Und die gibt es dann nicht bei Disney.