Die Welt ein bisschen besser zu machen, gehört seit jeher zum Anspruch der Hackerszene, die sich vier Tage lang auf dem Leipziger Messegelände tummelt.
Mal geht es um die Rettung der Demokratie in den USA, mal um die Not von Flüchtlingen im Mittelmeer oder um die Freiheit der Wissenschaft. Der Chaos Computer Club (CCC) hat zum 35. Mal gerufen – und Tausende strömen am Donnerstag zum Chaos Communication Congress, kurz 35c3 genannt. Damit die Weltverbesserung nicht zu anstrengend ist, darf der Spaß nicht zu kurz kommen.
So haben einige Hacker Tretroller dabei, um sich im ausgedehnten Messegelände schnell von einer zur anderen Halle bewegen zu können – zum nächsten Vortrag, hier schlicht Talk genannt, oder zum Workshop, um endlich einmal richtig löten zu lernen. Auch CCC-Sprecher Linus Neumann kurvt mit einem Tretroller herum, an dessen Unterseite ein kleiner Controller farbige Lämpchen zum Leuchten bringt.
Einplatinen-Computer wie der Arduino oder der Raspberry Pi liegen auf den Tischen im Hackerspace, in dem sich etliche Werkstatt-Ecken für die elektronischen LED-Kunstwerke eingerichtet haben. Programmiert wird hier mit Skriptsprachen wie Python, einfach zu erlernen und mit sofort vorzeigbaren Ergebnissen. Einiges mehr an Aufwand hat Tim Drocki betrieben, um einen 3D-Drucker zu entwickeln, der einen Flaschenhalter mit dem Emblem des Kongresses produziert. Der muss dann natürlich um eine Flasche mit Mate gelegt werden – die Koffein-Limo ist für Hacker immer noch das erste Getränk der Wahl.
Florian ist aus Nürnberg gekommen, wo er sich in der Computergruppe K4 engagiert, kurz K4CG genannt. «Mir geht es vor allem ums Lernen und um Verbindungen zu Menschen aufzubauen», sagt der 18-Jährige. Sein eigenes Projekt ist die Arbeit an einem Notebook, auf dem er das Unix-System OpenBSD eingerichtet hat und nun weiterentwickeln will. «Ich möchte das System noch besser verstehen.»
Wummernde Bässe eröffnen den Kongress, dann verkündet eine Computerstimme das diesjährige Motto: «Refreshing Memories» – die Szene will Kraft aus ihrer eigenen Geschichte schöpfen. Zwei junge Hacker, die sich nur als rufus und rixx vorstellen, stimmen die Menschen in der voll besetzten Halle auf das viertägige Treffen ein.
Jetzt hätten alle «das heilige Fest des Computerreparierens» hinter sich gebracht – an Weihnachten waren viele findige Talente in der Familie gefordert, um beispielsweise den Eltern technische Unterstützung zu geben; jetzt aber sei wieder «Kongresszeit». Rufus fordert die mehr als 16 000 erwarteten Teilnehmer auf, sich Gedanken zu machen, «wie wir den Planeten vom Abgrund wegrollen können».
Nichts weniger als die Lösung der Klimakrise stellt denn auch die Meteorologin und Bibliothekswissenschaftlerin Claudia Frick vom Forschungszentrum Jülich in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Man stelle sich vor, jemand habe diese gefunden und wolle das Forschungsergebnis in einer Fachzeitschrift publizieren, führt Frick aus und spannt einen Bogen zur Forderung nach «Open Access», dem ungehindertem Zugang zu Forschungsergebnissen, für die alle Steuerzahler mit der öffentlichen Förderung der Hochschulen ohnehin schon gezahlt hätten.
Das offene Teilen von Erkenntnissen ist ein Kern der Hackerethik, deren Erneuerung ebenfalls auf der Tagesordnung des ersten Kongresstages steht. Die ersten dieser Leitlinien hat der Journalist Steven Levy 1984 veröffentlicht. Es lohne sich, diese Grundlagen für den schöpferisch-kritischen Umgang mit Technologie für die aktuellen Herausforderungen anzupassen, sagt CCC-Sprecher Frank Rieger in einem Vortrag.
Der 47-jährige Hacker und Autor trifft auf dem Kongress viele junge Gesichter. Mit Schulprojekten und einem Junghackertag wendet sich der CCC gezielt an Jüngere. Erstmals bekommen Einsteiger in «foundation talks» Grundlagen vermittelt – aber auch erfahrene Besucher können dort ihr Wissen auffrischen.