Online-Plattformen buhlen um Gunst der Medien – und Leser

Das Interesse der Menschen an Nachrichten ist ungebrochen – die Aufmerksamkeit für «Breaking News» zeigt es immer wieder. Doch die Kanäle, über die sie sich informieren, verändern sich.

Das weltgrößte Online-Netzwerk Facebook mit seinen über 1,6 Milliarden Mitgliedern etabliert sich immer mehr als eine Top-Adresse, bei der Medieninhalte konsumiert werden – schließlich verbringen die Nutzer dort bereits viel Zeit. Google und weitere Plattformen wie Medium – erfunden von Twitter-Mitgründer Evan Williams – halten dagegen.

Besonders gut sichtbar ist die Entwicklung im Heimatland von Facebook, wo anteilig viele den Dienst nutzen und Zeitungen tief in der Krise stecken. In den USA und Kanada hat das Online-Netzwerk 222 Millionen aktive Mitglieder. Und fast zwei Drittel der US-Nutzer von Facebook informieren sich dort auch über aktuelle News, wie eine Umfrage des renommierten Pew-Forschungszentrums ergab.

Früher wurden bei Facebook Links zu Websites der Medien gepostet. Inzwischen bietet das Online-Netzwerk ihnen auch den Service Instant Articles an, bei dem die Inhalte direkt bei Facebook gespeichert werden, um die Ladezeiten zu verkürzen. Facebook kann dabei auch die Vermarktung der Werbung übernehmen und behält dafür einen Anteil der Anzeigenerlöse ein. Dieser Deal dürfte vor allem für kleinere Medienhäuser interessant sein, die damit den eigenen Aufwand zurückfahren können. Die Inhalte-Anbieter können aber die Werbung auch komplett selbst verkaufen und die gesamten Einnahmen behalten. So kündigte die von Amazon-Chef Jeff Bezos gekaufte «Washington Post» an, ihr kompletter Inhalt werde über Instant Articles verfügbar sein.

Seine Konditionen für die Verlage musste Facebook zwischenzeitlich anpassen. So konnte ursprünglich nur jeweils alle 500 Wörter eine Anzeige platziert werden – Ende vergangenen Jahres wurde die Marke auf 350 Wörter herabgesetzt.

Zudem greift Facebook verstärkt auch bei bewegten Bildern an. Der Service Facebook Live erlaubt Direkt-Übertragungen, die anschließend auch als Konserve online bleiben können. Dank technischer Schnittstellen können Bilder nicht etwa nur vom Smartphone, sondern zum Beispiel auch von Drohnen eingespielt werden. Facebook-Chef Mark Zuckerberg betont bei jeder Gelegenheit, dass Video die Zukunft sei – auch mit virtueller Realität, auf die das Online-Netzwerk mehrere Milliarden mit dem Kauf des Pioniers Oculus gewettet hat.

Die Medienmacht von Facebook geriet in den USA jüngst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, als anonym gebliebene ehemalige Mitarbeiter behaupteten, bei den Trend-Nachrichten des Online-Netzwerks seien gezielt Berichte über Konservative unterdrückt worden.

Einer, der eine Alternative zu Facebooks Medienplattform schaffen will, ist Twitter-Mitgründer Evan Williams. Nach dem Ausscheiden beim Kurznachrichtendienst startete er 2012 die Plattform Medium, auf der jeder seine Texte veröffentlichen kann. In diesem Frühjahr wurde sie stärker auf Medienhäuser ausgerichtet. Unter anderem bekamen sie eine Palette an Werkzeugen, mit denen sie die Optik ihrer Angebote individualisieren können – und zudem gibt es einen neuen Mechanismus, um bestehende Blogs und Websites auf die Medium-Plattform umzusiedeln.

Zum Neustart ging Williams mit den aktuellen Zuständen im Online-Journalismus hart ins Gericht und beklagte vor allem die Jagd nach Klicks mit Hilfe schmissiger Überschriften, um die Werbeeinnahmen zu steigern. Viele Verbraucher, Werbetreibende und die Journalisten selbst seien enttäuscht, kritisierte er im «Guardian». Die Branche stecke in einer «naiven Denkweise» fest, was die Bedürfnisse der Konsumenten angehe: «Wir haben ihnen Fast-Food hingestellt, sie haben das gegessen – also muss es das sein, was sie wollen.» Es gehe darum, seriöseren Journalismus zu unterstützen. Geld dafür soll auf Medium unter anderem aus Mitgliedschafts-Modellen kommen, sowie nach dem Muster von Twitter auch durch die Möglichkeit für Firmen, für eine prominentere Platzierung von Artikeln zu bezahlen.

Google spielt auf dem Geld mit seinen «Accelerated Mobile Pages» (AMP) mit. Das ist ein offenes technisches Format, mit dem Inhalte auf mobilen Geräten wie Smartphones vier Mal schneller laden sollen. Nicht nur Medienunternehmen können das Verfahren nutzen. Es gibt zum Beispiel auch eine Erweiterung für die Blog-Plattform WordPress, mit der automatisch AMP-Versionen von Seiten erzeugt werden können.

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