Crowdworking: Freiheit mit kreativer Konkurrenz

Hip sieht es aus im Berliner Büro von Jovoto. Die globale Kreativ-Plattform hat sich in Kreuzberg niedergelassen. Draußen flanieren die Hipster, drinnen schmücken ausgefallene Designs Regale und Wände – entworfen von Kreativen, die allerdings nicht hier arbeiten.

Jovoto ist eine Crowdworking-Plattform, die sich auf Design und Architektur spezialisiert hat.

Große Unternehmen wie Villeroy & Boch oder Organisationen wie Greenpeace suchen über die Internetseite von Jovoto Kreative, die Aufgaben für sie erfüllen. Die Crowdworker reichen ihre Ideen ein – die beste bekommt den Zuschlag.

«Es geht nicht darum, dass die eigenen Leute im Unternehmen nicht gut sind», erklärt Katharina Brendel von Jovoto. «Aber es gibt keine Firma, die das beste Talent auf der Welt hat.» Da will Jovoto helfen – rund 80 000 Kreative bilden die Crowd. Sie entwerfen Designs und Konzepte für Geschirr, Plakate, Taschenmesser oder ganze Wohnungen.

Diese neue Form der digitalen Erwerbsarbeit hat aber auch Kritiker. Der Vorwurf: Firmen ziehen sich aus ihrer Verantwortung zurück, lagern Arbeit an Selbstständige aus, die in der Crowd ums Überleben kämpfen. «Die soziale Absicherung wird einseitig von den Crowdworkern bestritten», kritisiert Nadine Müller von der Gewerkschaft Verdi.

Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz – all das gibt es für die Crowdworker nicht. «Wenn sich jemand freiwillig für die Selbstständigkeit entscheidet, ist das eine Sache», sagt Müller. «Doch wenn Menschen dazu getrieben werden, weil Unternehmen Kosten sparen wollen, ist das ein Problem.»

Crowdworker beklagen sich zum Beispiel über fehlende Qualifizierungsmöglichkeiten, fand Jan Marco Leimeister in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie heraus. Auf der anderen Seite schätzen sie Flexibilität in der Aufgabenwahl sowie zeitliche und örtliche Ungebundenheit. «Sie können frei wählen, welche Aufgaben sie wann und wo bearbeiten wollen», erklärt Leimeister.

Für die überwiegende Mehrheit der Crowd ist diese Arbeitsform eine Nebentätigkeit. Für nur 21 Prozent stellt sie die Haupteinnahmequelle dar, ermittelte Leimeister. Einen «typischen» Crowdworker gebe es nicht – die Crowd sei so unterschiedlich wie die verschiedenen Aufgaben. Denn es gibt nicht nur Plattformen für Design. Auch in den Bereichen Testing oder Microtasking ist Crowdworking beliebt.

Eine Microtasking-Plattform ist etwa Clickworker. Hier lösen die Crowdworker große Mengen an gleichartigen Aufgaben. Sie verschlagworten Bilder oder schreiben Produktbeschreibungen für Onlineshops. Für jede gelöste Aufgabe gibt es Geld.

«Bei uns arbeiten naturgemäß viele Studenten», sagt Managing Director Christian Rozsenich. Mit zwei anderen Crowdworking-Unternehmen hat Clickworker einen «Code of Conduct» unterzeichnet – eine freiwillige Selbstverpflichtung für faire Arbeitsbedingungen. «Es gibt schwarze Schafe, dem wollen wir etwas entgegensetzen», betont Rozsenich.

Müller von Verdi sieht diesen Kodex als ersten Schritt, dem jedoch verbindlichere Regelungen folgen sollten. «Es ist natürlich toll, wenn die Plattformen sich bemühen, soziale Standards einzuhalten.» Letztlich seien dies aber freiwillige Vereinbarungen, deren Einhaltung niemand überprüfe. Problematisch sei es auch, wenn die Konkurrenz global ausgeweitet und bei Lebens- und Sozialstandards eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werde. «Dann wird über den Preis konkurriert.»

Allerdings sieht Müller auch Chancen im Crowdworking. Die digitale Vernetzung erleichtere globale Kooperation. Vor allem für höher Qualifizierte in ärmeren Ländern biete sich so die Chance, über das Internet einen Zugang zu Arbeitsaufträgen zu bekommen.

Das können auch Aufträge großer Unternehmen sein, zu denen sie normalerweise keinen Zugang haben. Auch bei Jovoto sind besonders Projekte großer Markennamen oder mit kreativen Zukunftsideen beliebt. «Beides zusammen ist natürlich eine Explosion», sagt Brendel.

Jovoto versucht, auch diejenigen Kreativen bei der Stange zu halten, für deren Ideen sich ein Unternehmen schließlich nicht entschieden hat: Es gibt «Community Prizes», die herausragende Ideen auszeichnen.

Besonders Talentierte können von der Plattform auch für nicht-öffentliche Exklusiv-Projekte ausgewählt werden. Man versteht sich dort als Anwalt der Crowd. Brendel betont: «Wir sagen den Unternehmen, dass sie für gute Qualität auch zahlen müssen.»

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