Im Frühjahr 2007 stellte Apple das iPhone vor und krempelte damit den gesamten Telefonmarkt um. Drei Jahre später wollte der Konzern das Kunststück mit dem iPad wiederholen. Apples Flachmann entfachte einen ungeheuren Tablet-Boom, das Notebook wurde von vielen totgesagt. Doch der Hype ebbte schnell ab. Die Verkaufszahlen sinken seitdem kontinuierlich.
Auch wenn die Verkäufe der iPad-Sparte längst nicht mehr an die goldenen Zeiten heranreichen, als Apple im Winter 2012 gut 23 Millionen Flachmänner pro Quartal an den Mann und die Frau brachte, ist die Tablet-Sparte für den Konzern immer noch von großer Bedeutung.
Womöglich ist sie sogar wichtiger als je zuvor. Um die Verkäufe anzukurbeln, brachte Apple im März das bislang günstigste Modell (in den USA 329 Dollar, hierzulande ab 399 Euro) auf den Markt. Damit will der Konzern jene 100 Millionen Menschen zum Umstieg bewegen, die immer noch ein altes iPad (iPad 1 bis 4 und Mini) nutzen. Auf der Entwicklerkonferenz WWDC folgte nun ein runderneuertes iPad Pro im 10,5-Zoll-Format, mit dem Apple im Business-Sektor Fuß fassen will. Wir haben das Gerät bereits ausprobiert.
Mehr Platz zum Kritzeln
Der Formfaktor des iPad 10.5 ähnelt im Prinzip dem bisherigen 9,7-Zoll-iPad. Der Rahmen um das Display ist 40 Prozent schmaler, weshalb der Bildschirm im Verhältnis zur Gesamtfläche rund 20 Prozent größer ist als beim Vorgänger. Die Display-Diagonale misst zwei Zentimeter mehr. Das klingt nach nicht viel, der Unterschied ist aber sofort sichtbar. Nebeneinander gelegt wirkt ein „altes“ iPad mit den breiten Rahmen geradezu altbacken.iPad2
Der neue Bildschirm gibt auch Hinweise auf die Zukunft des iPhone. Gerüchten zufolge will Apple beim iPhone 8 im Herbst ebenfalls auf einen beinahe die ganze Front bedeckenden Bildschirm setzen. Eine ähnliche Technik bietet auch das Galaxy S8. Ganz so radikal fällt der Schritt beim iPad 10.5 noch nicht aus, so steckt unterhalb des Displays nach wie vor der Home-Button – beim nächsten iPhone soll der ebenfalls wegfallen. Das neue Tablet ist im Prinzip ein Zwischenschritt.
Das Display unterstützt nun den Bildstandard HDR (etwa für Amazon Prime Video) und eine Bildwiederholfrequenz von 120 Hertz, wodurch etwa das Scrollen durch Listen flüssiger erscheinen soll. Der Clou: Schaut man einen Film mit einer niedrigeren Bildwiederholrate, passt sich das iPad daran an, um Akku zu sparen. Der Nutzer selbst muss nichts weiter tun. Mit 600 Nits ist der Bildschirm auch extrem hell.
Im Inneren steckt ein aufgemotzter A10X-Fusion-Prozessor, der noch flinker ist als der Chip im iPhone 7 – und der lässt schon jedes Android-Smartphone alt aussehen. Apple selbst verspricht 30 Prozent mehr Rechenpower als beim A9X. Wie schnell der Prozessor wirklich ist, werden Tests zeigen.
Nur: Wozu benötigt man so viel Leistung? Für Netflix und „Candy Crush“ jedenfalls nicht. Die Gelegenheitsnutzer hat Apple mit dem iPad Pro 10.5 auch gar nicht im Visier, jene dürften mit günstigsten Tablets vollkommen zufrieden sein. Vielmehr schielt Apple auf die professionellen Nutzer und Unternehmenskunden, die normalerweise zu einem Notebook greifen würden.
In der Hands-on-Area nach der Keynote demonstrierte Apple einige Augmented-Reality-Anwendungen für das iPad, mit denen sich virtuelle Objekte in das Livebild der Kamera einfügen lassen. Diese wirken auf den ersten Blick täuschend echt, selbst der Schatten fällt realistisch. Dafür benötigt man jede Menge Rechenpower. Augmented Reality (AR) soll ebenfalls eines der großen Kernfeatures des iPhone 8 werden.06-Apple wagt sich mit HomePod auf neues Terrain-5460995759001
iOS 11 fürs Business
Doch zurück zum Business. Seit dem ersten iPad Pro im Herbst 2015 versucht Apple, seine Tablets als vollwertigen Ersatz für Computer zu positionieren – bislang mit mäßigem Erfolg. Zwar kooperieren einige namhafte Unternehmen mit dem Konzern. Doch vor allem professionelle Anwender mit komplexen Arbeitsabläufen (etwa Bildbearbeitung) greifen immer noch lieber zu einem Rechner. Zu abgespeckt sind viele iOS-Apps, das Betriebssystem selbst scheitert an vielen Alltagsaufgaben.
Das wird sich mit iOS 11 ändern: Auf der WWDC zeigte Apple ein Feuerwerk an neuen Features. So bekommt das Tablet ein richtiges Dateiverwaltungssystem, besseres Multitasking und ein erweiterbares Dock, sodass man parallel in mehreren Fenstern arbeiten kann. Professionelle Anwender werden im Herbst aufatmen, wenn das neue Betriebssystem zum Download bereitgestellt wird.WWDC Apple HomePod iOS 11 FS
Apple setzt auf das iPad
Das neue iPad 10.5 zeigt auch: Der Trend geht zu großen Bildschirmen. Das iPad Mini ist mit seinem 7,9-Zoll-Display im Zeitalter von Phablets beinahe obsolet geworden und dürfte über kurz oder lang eingestellt werden. Einsteiger greifen zum 9,7-Zoll-Modell, das 10,5er richtet sich an Hardcore-Nutzer. Das XXL-iPad mit 12,9 Zoll ist ein Nischenprodukt für Grafiker und Zeichner.
Mit Bildschirmgrößen zwischen 10 und 13 Zoll fischt das iPad auffällig im Mac-Segment. Preislich ist man mit einer Spanne zwischen 399 und 1219 Euro aber deutlich flexibler aufgestellt als bei den Laptops, dort geht es bei etwa 1000 Euro los. Langfristig dürfte Apple die Marke von 40 Millionen verkauften iPads pro Jahr anpeilen. Das wären rund 30 Prozent mehr als im Moment und damit knapp doppelt so viele Tablets wie Macs.iPad
Das iPad wird langfristig den Mac ablösen
Das neue iPad 10.5 ist der beste Beweis, dass der Konzern längst die Post-Mac-Ära eingeläutet hat. Allen Mac-Bekenntnissen der Apple-Obersten zum Trotz. Tim Cook etwa nannte das iPad die „deutlichste Ausprägung von Apples Vision des Computers der Zukunft“. Auch die aktuelle Werbekampagne, in der typische PC-Probleme thematisiert und iPads als Lösung angeboten werden, zielt klar auf Kunden herkömmlicher Laptops – und damit auch des Macs.
Bislang ist der Mac ein solider Umsatztreiber, im Schnitt werden pro Jahr 23 Milliarden US-Dollar in die Kassen gespült. Das ist mehr als die iPad-Sparte. Noch. Mit Zubehör wie dem neuen Smart Keyboard (eine Tastaturhülle) und dem Apple Pencil (ein digitaler Zeichenstift) treibt Apple die Marge bei den Tablets nach oben. Apropos Apple Pencil: Der Stift hat mit iOS 11 ebenfalls ein paar neue Tricks auf Lager. Um endgültig den Mac abzulösen, muss iOS aber noch vielfältig einsetzbarer werden.
Wie immer gibt es das 10,5-Zoll-iPad in einer Wifi- und einer LTE-Version (110 Euro Aufpreis). Der Marktstart ist nächste Woche, das kleinste Modell (mit 32 GB Speicher) beginnt bei 729 Euro.Handson-SiriSpeaker