IFA 2018: Wenn gut nicht mehr ausreicht – das Dilemma von Samsung und Co.

Seit Freitag findet in Berlin die IFA, die größte Technikmesse für Konsumenten, in Berlin statt. Der perfekte Anlass für die Hersteller, die Kunden mit ihren neuen Kreationen und Innovationen zu überraschen. Und immer häufiger auch zu enttäuschen. Denn die Erwartungen und der Innovationsdruck sind hoch. Und „gut“ ist oft längst nicht mehr gut genug.

Irre Erwartungshaltung

Der Erwartungsdruck auf die Hersteller ist hoch. Ständig wird von ihnen das nächste große Ding erwartet. Wohin das führt, kann man etwa bei Samsung sehen. Der Smartphone-Marktführer stellte schon vor der IFA sein neues Spitzen-Smartphone Galaxy Note 9 vor – mit kuriosem Effekt. Obwohl das Gerät in vielen Tests als bestes Smartphone auf dem Markt gilt und mit seinem Stift ein echtes Alleinstellungsmerkmal hat, wurde es als weitgehend langweilig angesehen. Hohe Leistung, ein schickes Design mit tollem Display und auch den Stift hatte man eben schon mal gesehen, es war nur noch besser geworden. Das gewisse Etwas fehlte. „Samsung muss etwas zeigen, das das Paradigma wechselt“, fasste Investor Park Jung-hoon die irren Erwartungen gegenüber „Reuters“ zusammen.

Galaxy S9 Test 17.29Auch in der TV-Sparte ist der selbstgemachte Innovationsdruck hoch. Samsung bietet etwa ab Oktober den ersten Fernseher mit 8K-Technologie im Handel an. Für die Kunden hat das zwar kaum einen Vorteil – es gibt quasi kein Video-Material in 8K, was Samsung mit einem Trick ändern will -, der Konzern wird dadurch aber wieder als Innovator wahrgenommen. Mit dem Drang zu spektakulären Produkten dürften sich die anderen Hersteller bald ebenfalls auf das Thema stürzen. Bei anderen Neuerungen war diese Strategie allerdings nicht aufgegangen: Curved-Fernseher oder Modelle mit 3D-Display sind nach einem gigantischen Hype wieder verschwunden.

Grundsätzlich ist das Phänomen nichts neues: Schließlich misst man den FC Bayern München auch an seiner letzten Saison. Ein 1:0 gegen den Aufsteiger ist dann einfach zu wenig. Wenn Apple ein neues iPhone „nur“ noch 40 Millionen mal verkaufen würde, gälte es als Flop. Wer einmal einen Kassenschlager hatte, für den fühlt sich der langsame, aber profitable Abverkauf wie ein Scheitern an.Miele Interview Zinkann 7.30

Hype als Dauerzustand

Ein bisschen dürfte dieser Druck aber auch hausgemacht sein. Die Technik-Branche liebt den Superlativ, Hersteller wie Apple und Huawei protzen gerne mit den schnellsten, besten und schönsten Produkten aller Zeiten, mit schnellen Aktualisierungszyklen wird die Spirale am Laufen gehalten. So stellte Sony etwa das neue Smartphone Xperia XZ3 nur Wochen nach dem Marktstart des XZ2 Premium vor. Durch die atemlose Berichterstattung und die hohen Erwartungen der Börsenanalysten steigt der Druck noch weiter. 

In ruhigeren Branchen wie bei den Haushaltsgeräten ist das Phänomen der Enttäuschung trotz Spitzentechnik weniger wahrzunehmen. Hersteller wie Miele oder Siemens setzen zwar auch auf konsequente Verbesserung und Trendthemen wie Vernetzung, die Erwartungen von Marktbeobachtern und Kunden sind aber deutlich realistischer. „Die Erwartungshaltung an einen Wow-Effekt ist bei einer Spülmaschine wahrscheinlich nicht so groß wie beim neusten iPhone“, erklärt sich ein Siemens-Sprecher die Lage. Natürlich ist konstante Innovation auch in diesem Markt ein wichtiges Verkaufsargument, jährlich stellt man neue, bessere Geräte vor. Die Bewertung der Marken erfolgt oft eher über jahrzehntelangen Vertrauensaufbau statt kurzfristigen Hype. 

Ruhe vor dem Sturm?

Einzelne Themen wie der Dialoggarer konnten daran grundsätzlich nichts ändern. Zumal sich Miele von seinem Wunder-Herd vom letzten Jahr auch keinen sofortigen Verkaufshit erwartete. „Bei der Spülmaschine und dem Einbaudampfgarer, die Miele ja auch beide erfunden hat, dauerte es auch Jahre und Jahrzehnte bis sie sich durchgesetzt haben“, sagte Miele-Chef Reinhard Zinkann letztes Jahr nach der Vorstellung der Technologie. Miele ist allerdings in der bequemen Position, als Familienunternehmen nicht von den Erwartungen der Anleger abhängig zu sein. „Wir können uns die Zeit nehmen“, so Zinkann.

Jetzt will ausgerechnet Samsung den Druck bei der Weißen Ware erhöhen, die Traditionshersteller nehmen das durchaus auch so wahr. Mit neuen Ansätzen bei der Hardware wollen die Koreaner bewusst den Innovations-Wettbewerb anheizen. Als Beispiel sieht der Konzern etwa die im letzten Jahr vorgestellten Waschmaschine Adwash, bei der man per Klappe auch bei laufender Maschine weitere Wäsche einwerfen kann. Die klare Ansage einer Samsung-Sprecherin zu dieser Strategie: „Wir wollen die Traditions-Hersteller in die Zange nehmen.“

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