Smartphone für 1000 Euro: Galaxy S9 im Test: Großartig und langweilig zugleich

Mit dem Galaxy S8 konnte Samsung im vergangenen Jahr die Messlatte für Smartphones noch einmal anheben. Der Hingucker war ohne Frage das Display, das sich beinahe über die gesamte Frontseite erstreckte und zu den Rändern hin elegant bog. Andere Telefone wirkten dagegen geradezu altbacken. Kein Wunder, dass fast alle Großen der Branche nachzogen und ähnliche Geräte auf den Markt brachten. 

Doch das Smartphone-Geschäft ist schnelllebig, und nichts ist uninteressanter als die Revolution von gestern. Dementsprechend gespannt wartete die Technikwelt auf das Galaxy S9, das seit heute im Handel steht. Den Fokus legen die Südkoreaner diesmal auf die Kamera, die mit einer interessanten Neuerung aufwartet. Doch reicht das? Wir haben das große Plus-Modell bereits ausführlich getestet und verraten in unserem Test, was uns gut gefallen hat – und was nicht.

Symbiose aus Glas und Metall

Entschuldigung, kennen wir uns nicht irgendwoher? Das Galaxy S8 und das S9 sehen sich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich. Material und Form sind identisch. Die Verarbeitung ist so hochwertig, wie man es von einem Premiumgerät erwartet. Staub, Regen oder Süß- und Klarwasser machen dem Telefon nichts aus. Nur den permanenten Kontakt mit Salzwasser muss man vermeiden. Und herunterfallen sollte das gute Stück nicht, wie der Test der Vorjahresmodelle von Stiftung Warentest zeigt. Wo viel Glas ist, kann nun einmal auch viel kaputt gehen. Eine Schutzhülle ist deshalb Pflicht.galaxys9-display

Ansonsten haben sich beim Design nur Kleinigkeiten verändert. Das Telefon ist etwas dicker, der Rahmen ist matt und nicht mehr glänzend. Die Kamera und der Fingerabdruckscanner befinden sich nun unter- und nicht mehr nebeneinander, womit eine der größten Schwachstellen des Vorgängers ausgemerzt wurde. So tatscht man nicht mehr so oft versehentlich auf die Linse. Die hochglänzende Rückseite ist leider immer noch ein Fingerabdruckmagnet. Zumindest bei der schwarzen Variante hat man ständig das Bedürfnis, mit einem Putztuch darüber zu wischen.

Die „kleine“ Variante mit 5,8-Zoll-Bildschirm wiegt 164, das Plus-Modell 189 Gramm. Letzteres hat übrigens einen 6,2-Zoll-Screen und ist damit kaum noch mit einer Hand zu bedienen. Immerhin könne man sich damit bei Regen unterstellen, scherzte ein Bekannter beim ersten Probehalten. Der Großteil der Nutzer dürfte vom Formfaktor zum normalen S9 greifen. Das Display selbst ist hell, kontraststark und gehört zum Besten, was man derzeit kaufen kann.galaxys9-kamera

Zwei Kameras sind besser als eine

Das große Modell hat nicht nur mehr Bildschirm, sondern auch mehr Kameras. Auf der Rückseite befindet sich eine Doppelknipse – eine Premiere bei Samsungs S-Klasse. Unter der normalen 12-Megapixel-Weitwinkelkamera befindet sich eine Telelinse, mit der sich dank des Zweifach-Zooms weit entfernte Objekte nahezu verlustfrei fotografieren lassen. Sie ermöglicht außerdem wie beim Galaxy Note 8 Fotos mit Bokeh-Effekt, also den unscharfen Hintergründen, die man von Spiegelreflexkameras kennt.20180130_012951

Ansonsten ist die Kamera des großen Modells identisch mit der des normalen Galaxy S9. Es handelt sich dabei um eine Weitwinkel-Hauptlinse mit mechanischer Blende, die über zwei Blendenöffnungen von f/1.5 und f/2.4 verfügt. Das ist ein Novum in der Smartphone-Welt. Doch wozu braucht man das? Bei schummrigen Lichtverhältnissen schaltet die Kamera automatisch auf die große Blende, bei Werten über 100 Lux auf die kleine. Dadurch werden etwa Überbelichtungen bei Tageslicht vermieden. Wer mag, kann die Blende auch im Pro-Modus der Kamera manuell auswählen. Zusätzlich nimmt das Galaxy S9 bei schlechten Lichtbedingungen zwölf Bilder hintereinander auf, um Farbrauschen zu minimieren. Samsung nennt diese Technik „Multi-Frame“.20180131_055821

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nachts gelingen detailreiche Bilder, selbst mit greller Leuchtreklame kommt das S9 klar. Auch wenn der Vorgänger in dieser Disziplin schon punkten konnte, das S9 legt nochmal eine Schippe drauf. So revolutionär, wie Samsung es verspricht, ist die Neuerung aber nicht – in unserem Vergleich machte Apples iPhone X häufig ähnlich gute Aufnahmen. In den nächsten Wochen werden wir einen ausführlichen Vergleichstest aller Spitzensmartphones nachliefern.

Superzeitlupe und peinliche Animojis

Zwei gute Nachrichten für Hobbyfilmer: Die Kamera nimmt Filme im hochauflösenden UHD-Format mit 3840 × 2160 Bildpunkten auf (HDR wird leider nicht unterstützt). Begeistert hat uns die Slow-Motion-Funktion: Die Super-Zeitlupe nimmt 960 Bilder pro Sekunde auf. Mit einer solch hohen Bildrate kann das Smartphone aber nur den Bruchteil einer Sekunde aufzeichnen. Mit etwas Übung gelingen beeindruckende Effekte. Allerdings benötigt man dafür ausreichend Licht.

Die Frontkamera des Galaxy S9 knipst mit acht Megapixeln. Neu ist die Möglichkeit, sogenannte 3D-Emojis zu erzeugen. Dabei handelt es sich um einen virtuellen Avatar, auf den die eigenen Gesichtszüge übertragen werden. Das Ergebnis ist aber – gelinde gesagt – wenig überzeugend.

Technische Ausstattung

Die technische Ausstattung der beiden Smartphone-Geschwister ist weitgehend identisch. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Jahr einen neuen, noch flinkeren Prozessor (Exynos 9810), der in einigen Benchmarks doppelt so schnell ist wie mancher Konkurrent-Androide. Ganz so flink wie das iPhone X ist das Galaxy S9 aber nicht. Das Ganze ist aber ohnehin theoretischer Natur, im Alltag sind beide Telefone rasend schnell. Beide S9-Modelle haben 64 Gigabyte Speicher, wovon knapp 52 Gigabyte zur freien Verfügung stehen. Wer mehr will, muss zum S9 Plus greifen, das gibt es mit 256 Gigabyte internen Speicher. Oder man erweitert via microSD-Kart.

Das S9 ist wie der Vorgänger mit einem 3000-Milliamperestunden-Akku ausgestattet (S9 Plus: 3500 Milliamperestunden). Trotz des effizienteren Prozessors ist die Akkulaufzeit nicht spürbar besser als beim Vorgänger. Je nach Nutzung und Modell kommt man also ein bis maximal zwei Tage ohne Steckdose aus. Das ist ausreichend, nicht überragend. Immerhin ist die Batterie dank Schnellladefunktion im Handumdrehen aufgeladen.galaxys9-iphonex-vergleich

Samsungs vorinstallierter, digitaler Assistent Bixby ist übrigens noch genauso unbrauchbar wie im vergangenen Jahr. Nach wie vor beherrscht er kein Deutsch. Das soll erst im Laufe des Jahres nachgeliefert werden. Bis dahin sollte man Bixby weitläufig umschiffen. 

Als Betriebssystem ist ab Werk Android 8.0 installiert. Version 8.1, die immerhin schon ein paar Monate verfügbar ist, steht noch nicht zum Download bereit. Ein Update auf Android 9 wird kommen, das dürfte aber noch dauern. Erfahrungsgemäß lässt Samsung seine Nutzer etwas länger warten und aktualisiert seine Telefone erst im Jahr darauf zum Start der nächsten Generation.

Fazit: Gute Evolution mit zu hohem Preisschild

Das Galaxy S9 Plus hat ein tolles Display, ist sehr schnell und hat eine exzellente Kamera. Hier begeistern vor allem der Detailgrad bei Nachtaufnahmen und die Superzeitlupe. Die Dualkamera des Plus-Modells bietet weitere kreative Möglichkeiten. Die Akkulaufzeit ist ausreichend, aber nicht überragend.

Klingt alles gut, doch das Galaxy S9 hat einen entscheidenden Haken: den Preis. Der beginnt bei 849 Euro für das Galaxy S9. Das Galaxy S9 Plus gibt es ab 949 Euro, für das Modell mit mehr Speicherplatz werden mehr als 1000 Euro fällig. Zum Vergleich: Das ähnlich gute Galaxy S8 gibt es bereits um die 450 Euro. Allerdings gibt es nicht genügend Neuerungen, um den doppelt so hohen Preis zu rechtfertigen. Und die Konkurrenz ist groß: Das Huawei Mate 10 Pro ist ähnlich groß und hat eine bessere Akkulaufzeit, es kostet um die 550 Euro. Das Pixel 2 XL hat eine bessere Kamera und kostet 700 Euro.

Der aktuelle Preis des Galaxy S9 (Plus) ist deshalb viel zu hoch. Wer Interesse hat, sollte noch ein paar Wochen warten.

Hier finden Sie eine Übersicht unserer Smartphone-Tests – von 200 bis 1000 Euro.

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