In Syrien steht eine Konfrontation der Großmächte bevor. Wegen einer mutmaßlich vom Assad-Regime ausgeführten Giftgas-Attacke hat Donald Trump einen Militärschlag gegen das Land angekündigt. Offenbar ist eine stärkere Attacke geplant als im letzten Jahr. Damals haben die USA 59 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk von zwei Zerstörern im Mittelmeer aus gestartet und mit ihnen den Flughafen Shayrat der syrischen Armee angegriffen und dort begrenzten Schaden angerichtet.
Nun wurden die Verbündeten Frankreich und Großbritannien mit ins Boot geholt. Noch ist unklar, wann sich der US-Präsident zum Losschlagen entschließt. Gut möglich, dass Trump die Ankunft der Strike Group um den Flugzeugträger Harry S. Truman im östlichen Mittelmeer abwartet. Aber eins ist schon gewiss: US-Präsident Donald Trump will nicht allein Assad bekämpfen, mit einem Tweet hat er den russischen Präsidenten direkt herausgefordert: „Russia vows to shoot down any and all missiles fired at Syria. Get ready Russia, because they will be coming, nice and new and ‘smart!’“ (übersetzt: „Russland schwört, alle auf Syrien abgefeuerten Raketen abzuschießen. Mach dich bereit, Russland, denn sie werden kommen, schön und neu und ’schlau‘!“).
Putin direkt herausgefordert
Wie Moskau Trump ins Lächerliche zieht_13.40Putin hat zwar gar nicht gesagt, dass er jede Rakete abschießen werde, doch nach diesem Tweet ist eine Lösung wie in Trumps erstem Angriff mit Marschflugkörpern sehr unwahrscheinlich geworden. Im April 2017 unternahmen Russlands Streitkräfte in Syrien nämlich nichts gegen die US-Attacke, um einer größeren Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Nach Trumps Herausforderung wäre ein erneutes Wegsehen Russlands allerdings eine Demütigung von Wladimir Putin vor der ganzen Welt. Jemand wie Putin, der den Russen das Wiederherstellen alter Größe versprochen hat, wird diesen Imageschaden nicht hinnehmen.
Schauen die Russen aber nicht erneut beiseite, wird es zum ersten echten Showdown zwischen den Rivalen kommen. Es fragt sich nur, wie dieser Konflikt aussehen wird.
Russlands Möglichkeiten gegen die US-Übermacht
Donald Trump ist sicherlich überzeugt, dass er im Mittelmeer wie Korea über „den Größten“ verfügt. Doch auch Russland besitzt einige Möglichkeiten. Was sind die realistischen Optionen: Vermutlich werden die USA und ihre Verbündeten erneut einen Schwarm von Cruise Missiles starten und zusätzlich Bomber und Kampfflugzeuge einsetzen. Donald Trump hat dabei den Vorteil die Zeit und den Ort seines Angriffs wählen zu können. Die Ziele dürften handverlesen sein, um zu verhindern, dass russische Einrichtungen und Truppen getroffen werden. Ein Einsatz von Bodentruppen ist unwahrscheinlich. Moskau kann dann nur auf den Zug Trumps reagieren. Das Problem für die USA ist nur: Niemand kann vorhersagen, was Putin genau machen wird. Daher ähnelt die Konfrontation einer Party Poker – um den Weltfrieden.
Es ist ganz unwahrscheinlich, dass russische See-, Luft oder Raketenstreitkräfte die US-Flotte direkt attackieren. Die Möglichkeiten hätten sie zwar: Der Marinebasis Tartus wird unter anderem von einer Batterie K-300 Bastion-Raketen geschützt. Ihre Reichweite beträgt etwa 350 Kilometer. Über dem Mittelmeer sind zudem S-34 Kampfflugzeuge aufgestiegen, die Anti-Schiffs-Cruise-Missiles vom Typ Kh-35 tragen. Erst vor wenigen Tagen wurde Russlands modernstes Flugzeug zur U-Boot-Jagd, die IL-38N, in Syrien stationiert. Natürlich beherrschen die Russen den Luftraum über Syrien nicht allein, auch ist zumindest ein Teil der eingesetzten Schiffe veraltet, doch da die USA vor einem Schlag gegen Syrien nicht präventiv die russischen Streitkräfte ausschalten können, bleibt jeder Einsatz ein Wagnis.
Kein direkter Angriff
Greifen die USA mit einem Mix von Kampfjets und Cruise Missiles an, stehen die Russen allerdings vor einem Dilemma. Sie verfügen über eine solide Luftraumverteidigung in Syrien – darunter auch das gefürchtete S-400-System. Aber so wie die USA vermeiden werden, russische Soldaten direkt anzugreifen, wird der Kreml nicht einfach versuchen, US-Flugzeuge abzuschießen. Bei den unbemannten Cruise Missiles gibt es dieses Risiko einer Eskalation zwar nicht, doch diese tief fliegenden Flugkörper sind vom bodengestützten Radar und Boden-Luft-Raketen nur schwer auszumachen und zu bekämpfen.
Die wahrscheinlichste Variante wird sein, dass Russland nur versuchen wird, den Angriff der USA zu stören und zu behindern. Und diese Reaktion birgt für die USA die größten Risiken. Ein Überraschungsangriff wird nicht gelingen, da die russischen Militärs bereits die Vorbereitungen zum ersten Start bemerken werden. Denkbar wäre es, dass russische Flugzeuge sich, ohne zu feuern, den eindringenden Jets entgegenstellen und versuchen werden, diese abzudrängen. Zusätzlich könnten sie mit Mitteln der elektronischen Kriegsführung versuchen, Kommunikation und Elektronik des Gegners zu stören. Das gleiche könnte auf See passieren, nämlich dass US-Zerstörer beim Anfeuern der Cruise Missiles von russischen Schiffen, U-Booten und Flugzeugen bedrängt und gestört werden.
Nur einen Schritt vom echten Krieg entfernt
Army 2017 18.22Ähnliche Manöver finden statt, wenn sich Spionageflugzeuge oder Bomber einer Seite allzu sehr den Grenzen der Gegenseite nähern. Der Unterschied ist nur: Bislang sind das Formen einer robusten und unfreundlichen Luftakrobatik. Nun würden diese Manöver inmitten eines echten Kampfeinsatzes stattfinden, bei dem beide Seiten den Finger am Abzug haben. Sollte es so weit kommen, wäre die Welt so nah am Abgrund eines großen Krieges, wie seit der Kuba-Krise nicht mehr.
Zusätzlich könnte Russland unbemannte Dohnen der USA ins Visier nehmen. Doch ein Schwarm von 50 und mehr Cruise Missiles ist schwer komplett abzufangen, selbst wenn Russland die Daten aus einem luftgestützten Radar zum Aufspüren der Missiles nutzen kann. Die Luftverteidigung der Russen in Syrien besteht aus Kampfjets und den umfangreichen Raketensystemen. Unter anderem sind S-400- und S-300V4-Batterien im Land. Für die Nahverteidigung nutzen die Russen das Pantsir-S2-System. Dennoch wird Russland einen entschlossenen Schlag der USA nicht komplett neutralisieren können. Irgendwann würden ihnen schlicht die Raketen ausgehen. Außerdem kann nicht jede verfügbare Abwehrrakete gegen Missiles abgeschossen werden, denn danach wären die russischen Truppen schutzlos.
Aus Trumps Twitter-Sicht wäre es gewiss ein Erfolg, wenn eine gute Quote an Bomben und Raketen ihr Ziel findet.
Tatsächlich sind die Dinge komplizierter. Denn auch ohne einen offenen Kampf würden die Waffensysteme Russlands und der USA hier erstmals aufeinandertreffen. Die USA gehen von ihrer technologischen Überlegenheit aus. Aber seit dem Zweiten Weltkrieg sind die US-Streitkräfte nie auf einen Gegner getroffen, der so gut ausgerüstet war wie die russischen Truppen in Syrien. Technisch konnten die US-Gegner im Irak, in Libyen oder in Afghanistan nur veralteten Schrott gegen die Supermacht USA aufbieten.
Eine Macht wird Verlierer sein
12-Merkel – Deutschland beteiligt sich nicht an Militärschlag in Syrien-5768856525001Wovon Trump träumt: Die USA verpassen den Mythos vom neu erstarkten Russland einen schweren Dämpfer. In Zukunft müsste der Kremlchef international sehr viel vorsichtiger auftreten. Die andere – zumindest denkbare – Variante wäre für den Westen allerdings weit unangenehmer: Was wäre, wenn es Putin gelänge, die US-Streitkräfte zu demütigen? Dann wären die Rivalen Washingtons ihrem Ziel, dem Hegemon USA vom Thron zu stoßen, einen sehr großen Schritt näher gekommen.
Und hier liegt das Problem für Donald Trump: Er mag zwar nach wie vor den „Größten“ haben, doch Russlands Militärs haben Zeit genug, eine schwache Stelle beim Gegner auszumachen und ihn dort bloßzustellen. Angenommen Russland unternimmt nichts weiter, unterbricht aber erfolgreich die Startsequenz der Missiles von einem Zerstörer. Dann werden US-Bombentreffer irgendwo in Syrien wenig bedeuten, die Welt wird nur registrieren, dass Moskau einen US-Lenkwaffenzerstörer blockieren konnte. Oder ein anderes Beispiel: Die USA schicken unzählige Missiles und Jets nach Syrien, die im Wesentlichen ungehindert operieren können. Doch Moskau greift nur einen einzigen Schwarm an Lenkwaffen an und aber dort gelänge es, den Großteil dieser Missiles abzuschießen. Auch dann wäre das Vertrauen in die Stärke der USA nachhaltig beschädigt.
So oder so: Nach dem „Mach dich bereit, Russland“- Tweet wird eine begrenzte Militär-Operation zum Kräftemessen zwischen Putin und Trump. Aus diesem Duell zwischen den beiden aggressivsten Politikern unserer Zeit wird nichts Gutes erwachsen, egal wie es ausgeht.Tomahawk Missile 12.30